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Wohngemeinschaften für an Demenz erkrankte Menschen

Neue Wege in der Pflege von Menschen mit demenziellen Erkrankungen geht die Evangelische Gesellschaft zum Betrieb von Wohn-, Alten- und Pflegeheimen. Für ihre 2004 und 2006 eröffneten Wohngemeinschaften mit Demenzpatienten in Höchst und Preungesheim schloss sie mit der Heimaufsicht eine Vereinbarung ab, die Modellcharakter hat. Sieben bis acht Männer und Frauen mit Demenz im Anfangsstadium leben in den drei Wohngemeinschaften. Unterstützt von Alltagsbegleitern backen sie beispielsweise Kuchen oder kochen Karotten in der Wohnküche, waschen ihre Sachen und reinigen ihre Zimmer.

„Wir haben ausgesprochen positive Erfahrungen gemacht, besonders mit den Angehörigen“, sagt Helmut Ulrich, Geschäftsführer der Gesellschaft. Werden die Bewohner, die meist mit Pflegestufe I einziehen, hinfälliger, unterstützen die Alltagsbegleiter sie auch beim Duschen und bei Toilettengängen. Ein ambulanter Pflegedienst und Ärzte kommen ins Haus.

Zurzeit gerät die Frage in den Blick, was geschehen soll, wenn der pflegerische Anteil Übergewicht bekommt. Eine Lösung könnte sein, solche WGs an klassische Einrichtungen der Altenpflege anzusiedeln, sagt Ulrich. Dann falle das Übersiedeln leichter. Bisher allerdings verlasse niemand die WG, eine Betreuung bis zum letzten Atemzug ist garantiert und der Betreuungsschlüssel ist besser als im Heim: „Wir können individueller auf Bedürfnisse eingehen“. Ulrich plädiert nicht dafür, Pflegeheime ganz abzuschaffen, hält aber „kleinere Einheiten insgesamt für besser“.

Ausgezeichnete Pflege für Schwule und Lesben

Fünf bis zehn Prozent der Senioren sind lesbisch oder schwul. Mitte April wurden das Sozial- und Rehazentrum West und das Julie-Roger Haus des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe  erneut mit dem Regenbogenschlüssel ausgezeichnet. Sie sind bundesweit die einzigen Altenpflegeheime, die sich so intensiv mit der Verschiedenheit der Bewohner und Mitarbeiter im Hinblick auf Homosexualität auseinandersetzten, dass sie zertifiziert werden konnten. Frédéric Lauscher, Vorstandsvorsitzender des Frankfurter Verbandes, sagt: „Die Pflege an sich ist nicht anders, aber die Haltung der Pflegenden ist eine andere. Schwule und lesbische Bewohner und Mitarbeiter können sich sicher sein, nicht diskriminiert zu werden.“ Auch im Aufnahmeprozess wird offen kommuniziert, was der Regenbogenschlüssel bedeutet. Er hat sich in der Praxis „gut bewährt“, sagt Lauscher „mit der Offenheit und Transparenz kam die Nachfrage.“

„Für die Pflege ist der Regenbogenschlüssel ein erster Schritt“ sagt auch Hans-Peter Hoogen, Wirt in der Szenekneipe „Größenwahn“ und seit Jahren in der Frage Schwule und Altern engagiert. „ Es geht darum, für ältere Schwule und Lesben ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich aufgehoben und nicht diskriminiert fühlen.“ Bisher hat Hoogen keine Beschwerden gehört, im Gegenteil, während früher das Verständnis für ältere Schwulen und Lesben fehlte und sie auch nicht wahrgenommen wurden, hat sich die Situation durch die Aktivitäten des Frankfurter Verbandes verbessert. Viele Biografien von pflegebedürftigen Schwulen und Lesben sind durch Diskriminierung geprägt, der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch, der Sex zwischen Männern unter Strafe stellte, wurde erst 1994 abgeschafft. Die damit einhergehende Denkweise prägte die Generation der jetzigen Pflegeheimbewohner.

Susanne Schmidt-Lüe