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Gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe wird kommen

Todkrank und von Schmerzen gequält, verletzt oder versehrt – viele Menschen können sich  Situationen vorstellen, in denen sie nicht mehr leben wollen, und wünschen sich dann Sterbehilfe. Der Begriff „Sterbehilfe“ wird unterschiedlich verstanden. Er kann zum einen bedeuten, dass ein Mensch sich Hilfe im Sterben als Begleitung, Schmerzlinderung und menschliche Zuwendung wünscht. Sterbehilfe kann aber auch heißen, dass sich jemand Hilfe zum Sterben und einen Menschen wünscht, der ihn auf seinen eigenen ausdrücklichen Wunsch hin sterben lässt, ja ihn sogar tötet.

In Deutschland ist die Beratung und Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung zur Sterbehilfe für das kommende Jahr vorgesehen. Sterbehilfe bewegt sich dennoch schon jetzt nicht im gesetzfreien Raum. Die Patientenverfügung, im Betreuungsrecht als Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuches seit 2009 geregelt ist, gibt Ärzten und Pflegekräften zumindest eine Grundlage für den Umgang mit dem Wunsch nach Sterbehilfe. Gegen den ausdrücklichen Willen eines Patienten dürfen keine ärztlichen Maßnahmen – auch nicht zur Lebensrettung – vorgenommen werden. Gestärkt wurden die Patientenrechte noch durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2010. Darin wurde entschieden, dass medizinische Eingriffe und Behandlungen nicht nur unterlassen, sondern sogar aktiv beendet werden dürfen, wenn der Patient dies wünscht.

Dem gegenüber stehen die unterschiedlichen Regelungen der Landesärztekammern. Die Aussage der Hessischen Landesärztekammer ist eindeutig. In § 16 der Berufsordnung heißt es: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen und Leiden zu lindern. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Manche Ärztekammern sehen das ähnlich, während andere kein ausdrückliches Verbot des assistierten Suizids aufgenommen haben.

Ob Ärzte aufgrund eines  Handelns, das man als „Sterbehilfe“ bezeichnen kann, jemals ihre Approbation verloren haben? Darüber gibt es keine Zahlen. Vielmehr entzündet sich die öffentliche Diskussion eher an den sogenannten „Dienstleistern der Sterbehilfe“, Organisationen und Vereinen, die ihren Mitgliedern die tödlichen Medikamente anbieten.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat mit seinem Vorstoß, die organisierte Sterbehilfe zu verbieten, die Diskussion wieder auf die Tagesordnung gebracht. Er setzt auf bestmögliche Pflege und Palliativmedizin und verweist darauf, dass der Versuch der Selbsttötung und die Hilfe beim Suizid in Deutschland nicht verboten seien. Auch die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen sei erlaubt, wenn der Patient dies wünsche. Strikt lehnt er es jedoch ab, einem Menschen den Weg in den Suizid aktiv zu bahnen, etwa durch Medikamentengaben.

Kritiker einer liberalen Regelung fürchten zudem, dass die Erlaubnis zum assistierten Suizid eine Tür zu umfassendem Missbrauch und gesellschaftlichem Druck öffnet. , Den „Kindern nicht zur Last fallen wollen“, Geld lieber vererben zu wollen, als es für Pflege auszugeben oder die Sozialsysteme nicht zu belasten, könnten Gründe sein, einen Suizid in Betracht zu ziehen – auch wenn man eigentlich leben möchte.

Nachbarländer mit Gesetzen zur Sterbehilfe

Die europäischen Nachbarländer haben zum Teil gesetzliche Regelungen getroffen. So erlaubt in den Niederlanden ein Gesetz die aktive Sterbehilfe durch einen Arzt unter bestimmten Voraussetzungen. Aufsehen erregte in diesem Frühjahr eine Entscheidung des belgischen Parlaments, das die aktive Sterbehilfe bei Minderjährigen und Kindern erlaubt. „Sterbetourismus“ in Länder mit entsprechender Gesetzgebung wie etwa auch die Schweiz wird schon beklagt.

Letztlich geht es bei der Frage nach Sterbehilfe darum, wie der Wunsch eines jeden Menschen nach einem würdigen, schmerz- und angstfreien Sterben erfüllt werden kann. Eine intensive Zuwendung mit Palliativversorgung und menschlicher oder auch seelsorgerlicher Begleitung kann, so die Erfahrung von vielen Hausärzten und Hospizhelfern, den Sterbewunsch in den Hintergrund treten lassen. Dies war auch Thema bei den Frankfurter Hospiz- und Palliativtagen im vergangenen Jahr, als das Gesundheitsamt zusammen mit anderen Veranstaltern das Thema unter dem Titel „Sterben in der Großstadt“ beleuchtete.

Wie der Bundestag letztendlich entscheidet, bleibt abzuwarten. Es ist damit zu rechnen, dass mehrere unterschiedliche Entwürfe beraten werden. Die Fraktionen haben sich schon darauf geeinigt, bei der Diskussion und Abstimmung im Bundestag den Fraktionszwang aufzuheben und eine Gewissensentscheidung der Parlamentarier möglich zu machen.

Lieselotte Wendl