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Weltkulturenmuseum zeigt neue Ausstellung

„Grüner Himmel, blaues Gras – Farben ordnen die Welt“ heißt die neue Sonderausstellung im Weltkulturenmuseum Frankfurt (bis 28. August). Dem sinnlichen Vergnügen an der bunten Vielfalt der Welt ist mit der von Matthias Claudius Hofmann leitend kuratierten Schau ebenso gedient wie der intellektuellen Neugier, was es im globalen Vergleich mit Farben, ihrer Wahrnehmung und Benennung auf sich hat.

Zur Schaulust: Da wären etwa die staksig-langgliedrigen Schattenspiel-Figuren von der Insel Java (Indonesien) – ein Inbegriff dessen, was man sich von einem ethnologischen Museum erhofft. Aufgebaut sind sie, im oberen Stockwerk rechts, vor und hinter einer Spielwand, das heißt hier als Schattenwurf, dort direkt und in ihren Farben, die diesem tausendjährigen Menschheitsspiegel über den Sinn des Kosmos die Finesse und Komik von Typen leihen und den Erzählgehalt indischer Epen gleichsam normalisieren. Golden heißt da: jung und schön, schwarz: reif und edel, oder rot: gemein und grob.

Ein Stockwerk tiefer zeigt uns ein Raum beim Staunen über die „Welt aus Federn“ im Amazonasdelta, wie den Ethnologen der heimliche Clou der gefiederten Farbenpracht lange Zeit entging. Die schmückten sich nicht nur selbst mit Vogelfedern, sondern möblierten gleichsam auch den Urwald. Sie setzten Aras so auf Schildkrötenei-Diät, dass sich ihre Naturfarben änderten, und setzten sie dann frei. Wissenschaftlich heißt das Tapirage, und ganz verstanden ist es bis heute nicht.

Armring (Detail). Federn, Rindenbast, Palmblatt und Baumwolle, Kayapó Txukarramae, Pará, Brasilien. Gesammelt von Luis Boglar, 1988. Foto: Wolfgang Günzel

Bedarf die Buntheit einer Ausstellung über Farbe in der Welt weiterer Begründung? Der Augenschmaus umfasst ein fast österliches Menü vieler Gänge: vom melanesischen Federgeld aus 60.000 Federchen vom Nektarvogel über Kulamuschelgeld aus dem insularen Tauschhandel und Jagua-Saft für „Rothäute“ bis zur roten Tonerde zum Ausagieren der Schöpfungsmythen der Maori. Tibetische Thangkas klagen stumm und ausgeklügelt bunt vom Leid der an China verlorenen Freiheit. Im Treppenhaus erinnert ein Kulthausgiebel vom Sepik, früher Kaiser-Wilhelmsland, an den Malrausch der Abelam in den kultischen Handlungen. Wer immer schon wissen wollte, was es mit Indigo auf sich hat, wird ebenfalls fündig. Wer jedoch nach theoretischer Erkenntnis strebt, stößt weniger auf Goethes Mephisto („Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum“) als auf seine Farbenlehre: in Gegenposition zum Einstieg mit dem Physiker Isaac Newton. Der ließ im 17. Jahrhundert Sonnenlicht durchs Prisma – Glas mit dreieckiger Grundfläche – fallen, und siehe da: Weiß fächerte sich zum Regenbogen bunten Lichts auf. Physikalisch, sagen uns Physiker der Goethe-Universität mit ihrem Aufbau, sind die Farben so etwas wie ein naturgegebener Nullpunkt. Der Philosoph Olaf Müller kommentiert in Ausstellung und Katalog dazu, dass Newtons Farbenkreis und seine Rede von drei oder sieben „Spektralfarben“ nicht die ganze Realität sind.

Denn zur Farbe gehört auch die Farbwahrnehmung des Menschen, genauer: aller Menschen sämtlicher Kulturen, was sich nie in einem Brocken Physiologie der Stäbchen und Zapfen in der Retina erschöpft. Dagegen hilft auch keine vermeintlich allumfassende „Munsell-Skala“ (gleichfalls ausgestellt). Knifflig und interessant wird es darum mit der Kategorisierung und Benennung von Farben, und die ist und bleibt kulturell bedingt.

Den Titel „Grüner Himmel, blaues Gras“ entnahm Kurator Hofmann nicht umsonst dem Sprachgebrauch japanischer Gedichte, die mal so alt wie der Dichter Fujiwara no Shunzei (12. Jahrhundert: „Selbst der grüne Himmel…“), mal so zeitnah wie Ex-Kaiser Akihito sind. Er dichtete: „Sonnenlicht bricht/ Seine Strahlen empfängt/ Gefallenes Laub/ Da, in der Mitte des Pfads/ Erblick ich das junge blaue Gras“.

Grün und Blau, lernen wir, tendieren weithin zur Austauschbarkeit, wobei das japanische „ao“ (blau) auch pflanzliche Frische und Adel konnotiert, während „midori“ (grün) für „unten“ steht. Die Azteken kannten 13 Grün-Blau-Schattierungen als eigene Farben, und während Hell- und Dunkelblau für uns nur eine Farbe in Hell und Dunkel sind, schwören Russen, es seien zwei. Newtons Prisma kennt kein Braun; Mischfarben werden im Auge gemacht. Sind sie darum weniger real? Dasselbe gilt für den irisierenden Farbeindruck von Perlmutt, die Interferenzfarben von Seifenblasen, das Schimmern gewisser Käferflügel und das ganze facettenreiche Spiel von Reflexion, Transparenz und Absorption.

Klar, dass manche Kulturen Mythen über die Entstehung der Farben aus der Schwärze des Nichts erzählen, oft gleichauf mit der Geburt der Götter. Dass die Ethnien Farben sprachlich gerne an Objekten festmachen, die ihre Träger sind, versteht sich. Die Kataloglektüre übrigens lohnt sehr, und sei es für Homer-Leser, die in Gladstones Verwunderung über Homers „dunklen“ Regenbogen und über seine kargen Farbbegriffe ein Argument für den „blinden“ Homer erkennen.

Marcus Hladek

Bis 28. August im Weltkulturen Museum, Schaumainkai 29. Öffnungszeiten nach Ansage, bzw.: Di-So 11-18 Uhr, Mi 11-20 Uhr. Eintritt: 7 Euro. Internet: www.weltkulturenmuseum.de. Katalog: 25 Euro.