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Bis zum Jahr 2015 werden durchschnittlich rund 65 000 Arbeitskräfte im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Frankfurt fehlen. Das prognostiziert die IHK, zu der auch Main- und Hochtaunuskreis zählen, in ihrer Studie zum demografischen Wandel. In der Herbstumfrage der IHK berichten 44 Prozent der befragten Firmen über Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Die Agentur für Arbeit Frankfurt zählt zur gleichen Zeit 11700 Erwerbslose in der Altersgruppe zwischen 50 und 64 Jahren, das sind 29,2 Prozent aller Arbeitslosen. Angesichts des demografischen Wandels und Fachkräftemangels gehen Firmen wie die in Frankfurt ansässige ING-DiBa und der Bad Homburger Autozulieferer Ixetic neue Wege.

Im März 2006 begann die ING-DiBa das Projekt „Job aktiv 50+“. Erst in Nürnberg, später auch in Frankfurt bietet sie Frauen und Männern jenseits der 50 eine neue Ausbildung an. „Oft hatten die Auszubildenden seit drei, vier Jahren keinen Job mehr“, sagt Birgit Mogler, die als Ressortleiterin Aus- und Weiterbildung das Projekt für die Bank konzipierte. Den angehenden Servicefachkräften für Dialogmarketing traute sie wegen ihrer „Berufs- und Lebenserfahrung“ so viel zu, dass sie die Ausbildungszeit von zwei Jahren auf ein Jahr reduzierte. Die IHK-Prüfung haben trotzdem alle bestanden. Bisher gab es 20 bis 30 Absolventen, sagt Mogler und erzählt von deren „Leidenschaft und Faszination“. Die Aussicht auf eine feste Stelle nach der Ausbildung setze „eine wahnsinnige Zugkraft“ frei. Seit dem 1. September läuft in Frankfurt wieder eine einjährige Ausbildung zum Bankassistenten, an der vier Auszubildende jenseits der 50 teilnehmen. Sie müssen nicht gemeinsam mit jugendlichen Auszubildenden in der Berufsschule lernen, sondern gehen in einen speziell auf sie zugeschnittenen Kurs ins Zentrum für Weiterbildung. Die Bank mit 1400 Mitarbeitern in Frankfurt und einem Altersdurchschnitt von 38 Jahren will Ältere ins Unternehmen holen, um einen besseren Altersmix zu erreichen, sagt Mogler. Sie ist überzeugt von dem ausgezeichneten Konzept und hat sich gerade selbstständig gemacht. Das Interesse anderer Unternehmen sei groß, mit dem Umsetzen tun sie sich allerdings schwer.

Der Bad Homburger Autozulieferer Ixetic stellte nach dem Motto „Grau ist Schlau“ im vergangenen Halbjahr sieben Mitarbeiter über 50 Jahre ein. Das ist Teil der Anstrengungen des weltweit agierenden Unternehmens mit 750 Mitarbeitern in Bad Homburg, dem Fachkräftemangel zu begegnen, sagt Marketingchef Kajetan Gressler. Im Qualitätsmanagement der Firma arbeitet an vier Tagen in der Woche sogar ein 71-Jähriger als Aushilfskraft. Ixetic prüft zurzeit geeignete Schichtmodelle für die verschiedenen Altersgruppen. Sportangebote, Salatbar und vegetarische Gerichte sollen alle Mitarbeiter fit halten. „Nach meiner Beobachtung können Ältere Jüngeren helfen, sie müssen sich nicht dauern beweisen und sie können abgeben. Ihre emotionale Intelligenz ist sehr ausgereift“, sagt Gressler.

Um alternde Belegschaften innovativ zu halten, fordert die IHK die gezielte Qualifizierung und Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Die Unternehmen müssten umdenken und Ältere integrieren. Auch in ihre Einstellungspraxis.

Susanne Schmidt-Lüer