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Das bedeutendste internationale Theaterfestival Deutschlands – Theater der Welt – findet bis 16. Juli 2023 in Frankfurt und Offenbach statt.

Foto: Carlos Casas

Gegründet 1981 vom Internationalen Theaterinstitut (ITI) – Zentrum Deutschland, macht Theater der Welt alle drei Jahre in einer anderen Stadt oder Region in Deutschland Station und zählt neben dem Festival D’Avignon und der Theaterbiennale Venedig zu den renommiertesten Theaterereignissen Europas. Die 16. Ausgabe des Festivals wird initiiert und realisiert von den drei Frankfurter Kulturinstitutionen Künstler:innenhaus Mousonturm, Museum Angewandte Kunst und Schauspiel Frankfurt sowie dem Amt für Kulturmanagement der Stadt Offenbach. Für Theater der Welt verwandelt sich das Museum Angewandte Kunst – einer der zentralen Treffpunkte des Festivals – in einen Incubation Pod, eine Art große, erlebbare Traumwelt.
Die Intendant:innen des Festivals, Anna Wagner, Marcus Droß, Matthias Wagner K und Anselm Weber haben die Programmdirektion an die japanische Festivalmacherin Chiaki Soma übertragen. Zum ersten Mal in seiner Geschichte wird das Festival damit von einer außereuropäischen Programmdirektorin geleitet. Chiaki Soma reagiert mit ihrem kuratorischen Konzept auf die aktuellen Geschehnisse in Europa und der Welt. Gegen die kontinuierlich folgenden Krisen von Pandemie, Klimawandel und bedrohlicher neoimperialistischer Machtpolitik erforschen die eingeladenen Künstler:innen des Festivals neue, von Fürsorge und Verantwortung geprägte Umgangsweisen mit Umwelt, Gesellschaft und Kunst. Zwischen Theater, Tanz, Performance und Installation erschüttern sie binäre Grenzen – zwischen Ost und West, männlich und weiblich, real und virtuell, menschlich und nicht-menschlich. Damit öffnen sie Türen zu anderen Welten, erschließen neue Verbindungen und laden ein, gemeinsam Visionen eines vielschichtigen Miteinanders zu erkunden.
Im Museum Angewandte Kunst können Besucher:innen während des Festivals Theater der Welt an interaktiven Installationen, virtuellen Realitäten, Performances, Workshops und Gesprächen teilnehmen, die die Aspekte des Begriffs Inkubationismus auf einzigartige Weise aufgreifen und zum Nachdenken und Träumen anregen. Das besondere internationale Programm versammelt verschiedene Formen und Ansätze der künstlerischen Verarbeitung, Ritualisierung und Behandlung individueller wie auch geteilter Inkubationszustände, Zeiten der Ungewissheit und des Wartens. Die Programmdirektorin Chiaki Soma erklärt den Begriff Inkubationismus in Bezug auf ihr Festivalprogramm wie folgt:
„Mit dem Wort Inkubation verbinden sich verschiedene Assoziationen: einerseits das Entstehen von neuem Leben, andererseits die oft beunruhigende Phase vor dem Ausbruch einer Krankheit. Während der anhaltenden Covid19-Pandemie haben viele Menschen in Quarantäne oder in Selbstisolation Inkubationszeiten durchlebt, ohne zu wissen, wie lange diese Zustände andauern und wohin genau sie führen würden. Einige mögen solche Zeiten des Wartens als besonders einschränkend und unproduktiv empfinden. Ich glaube aber, dass uns durch Inkubationserfahrungen (im doppelten Sinne des Wortes) auch etwas bewusst werden könnte. Zum Beispiel, dass wir alle potenzielle Patient:innen sind, die Fürsorge benötigen. Dass unsere Körper und unser Leben – ebenso wie die Viren – zu einem größeren Ökosystem gehören. Und dass wir daher lernen müssen, nicht-menschliches Leben und den Planeten als Ganzes zu respektieren, und dass unsere kognitiven und sozialen Systeme dringend auf Harmonie und Koexistenz mit allen Dingen auszurichten sind. Wir müssen uns (wieder) an unbestimmte, nichtlineare Zeitlichkeiten gewöhnen. Inkubationszeiten – Zustände der Ungewissheit und des Aussetzens – können auch als generatives Moment verstanden werden, vielleicht sogar als Quelle der Kreativität. Diese Haltung nenne ich Inkubationismus.“ 
Im Museum Angewandte Kunst werden die Arbeiten von folgenden Künstler:innen und Kollektiven zu sehen sein: Trajal Harrell (Zürich, Athen), Saodat Ismailova (Tashkent,Paris) Keiken (London, Berlin), Boogaert/VanderSchoot (Amsterdam), Aya Momose (Tokio), Meiro Koizumi (Yokohama) und El Warcha (Tunis). 
Die Arbeiten der Künstler:innen laden die Besucher:innen ein, in interaktive Installationen und virtuelle Realitäten einzutauchen, regen zum Nachdenken sowie Träumen an und lassen im Museum einen Ort zum Verweilen und Kräfte sammeln entstehen. Eine Vielzahl von Performances, Workshops und Gesprächen runden das vielfältige Programm ab. Neben der Weltpremiere von Echo´s Chamber feiern zwei Arbeiten von Aya Momose Europapremieren.